Überlegungen zum Wunderkreis, 2

Wie wir gesehen haben (in Teil 1), lassen sich also die unterschiedlichsten Varianten des Wunderkreises erzeugen. Je nachdem welcher Teil mehr oder weniger betont wird, sehen sie dann aus.
Bei der Anlage eines neuen Labyrinthes hängt das natürlich auch von der Größe des zur Verfügung stehenden Platzes ab und dem Zweck, dem das Labyrinth dienen soll.

Typ 5 a-c
Typ 5 a-c

Die Umgangsfolge, wenn wir zuerst nach links gehen: 0-3-2-1-4-a1-b2-c1-c2-b1-a2-5-0. Nach rechts ergibt sich: 0-5-a2-b1-c2-c1-b2-a1-4-1-2-3-0.
Bei den Ziffern haben wir die Reihenfolge mit ungeraden und geraden Zahlen, wie wir es von einem klassischen Labyrinth kennen.
Bei den Buchstaben, die ja die Elemente der Doppelspirale bezeichnen, lässt sich auch eine gewisse Systematik erkennen: Die Buchstaben kommen abwechselnd nacheinander. Folgen sich zwei gleiche, haben wir das Zentrum der Spirale und den grundsätzlichen Richtungswechsel erreicht. Die Zusätze „1“ bezeichnen den unteren Teil und der Zusatz „2“ den oberen Teil eines Umgangs.
Schauen wir die Umgangsfolgen genauer an, erkennen wir, dass die zweite (nach rechts) gegenläufig zur ersten ist.
Wir können also sagen, dass hier zwei verschiedene, jedoch verwandte Labyrinthe einer Gruppe in einem vereint sind. Je nachdem welchen Weg wir zuerst wählen.

Wieviel Umgänge hat eigentlich dieser Wunderkreis?
Das ist etwas schwierig zu zählen. Dazu teilen wir die Figur in drei Teile, das linke untere Viertel, die obere Hälfte und das rechte untere Viertel. Beginnen wir links unten: Da gibt es die 3 „labyrinthischen“ Umgänge und 3 der Doppelspirale. Oben habe wir 4 „labyrinthische“ Umgänge und die 3 der Doppelspirale. Rechts unten: 5 „labyrinthische“ Umgänge und die 3 der Doppelspirale. Wir haben also, je nach Blickwinkel, 6, 7 oder 8 Umgänge.
Als Typbezeichnung dient die Höchstzahl der „labyrinthischen Umgänge plus der Buchstabenfolge für die Umgänge der Doppelspirale. Beides addiert, ergibt die Anzahl der gesamten Umgänge. Im vorliegenden Beispiel „5 a-c“ also 8 insgesamt.
Im Dateinamen für die Zeichnungen habe ich versucht, das ebenfalls auszudrücken, zusätzlich versehen mit der Angabe des Eintritts und des Austritts des Labyrinths.

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Querende Labyrinthe mit mehreren Achsen

Neben den drei einachsigen Labyrinthen aus dem letzten Beitrag (siehe: Verwandte Beiträge 1, unten) gibt es noch 7 historische mehrachsige Labyrinthe, bei denen der Weg die Hauptachse quert. Davon will ich hier vier sehr unterschiedliche Exemplare aus römischer Zeit bis ins 18. Jahrhundert vorstellen, zusammen mit ihren Mustern. Wie man das Muster bei querenden Labyrinthen gewinnt, habe ich auf diesem Blog auch schon gezeigt (verwandte Beiträge 2). 

Das älteste mehrachsige querende Labyrinth ist das polychrome Mosaiklabyrinth aus dem Palast der römischen Prokonsuln, Haus Theseus, auf Kato Paphos, Zypern aus dem 4. Jh. n. Chr. (Abb. 1). Dargestellt ist der Ariadnefaden als Flechtband. Der Weg beginnt aus einer Sackgasse auf dem 1. Umgang. Nach einem vollen Umgang quert er die Hauptachse und beschreibt auf den Umgängen 2 – 6 ein Sektorenlabyrinth mit vier Achsen. Dann folgt ein voller 7. Umgang, der in einen geschlossenen 8. Umgang mündet. 

Abbildung 1. Theseus
Abbildung 1. Theseus

Abbildung 2 zeigt das Labyrinth der Kathedrale von Bayeux aus dem 13. Jh. Dieses hat 4 Achsen und 10 Umgänge. Der Weg quert die Hauptachse auf dem innersten Umgang. 

Abbildung 2. Bayeux
Abbildung 2. Bayeux

Ein seltsames Labyrinth ist auf einer Bronzeplakette aus dem 16. Jh. aus Italien abgebildet (Abb. 3). Es hat 6 unregelmässig verteilte Achsen. Dabei gibt es ein eingeschlossenes Wegstück auf dem 2. und 3. Umgang zwischen der 3. und 4. Achse, das nicht erschlossen ist. Der Weg vom Eingang zum Zentrum verläuft darum herum. Er quert ausserdem 3 mal die Hauptachse. Man kann dieses Labyrinth leicht auf drei Achsen reduzieren. 

Abbildung 3. Plakette
Abbildung 3. Plakette

Auch in diesem Entwurf für ein Hecken-Labyrinth aus dem Jahr 1704 quert der Weg 2 mal die Hauptachse und endet dann peripher in einer Sackgasse (Abb 4). 

Abbildung 4. Liger
Abbildung 4. Liger

Alle diese mehrachsigen querenden Labyrinthe weisen Eigenarten auf. Theseus hat keinen Eingang und kein Zentrum, Bayeux ist uninteressant, da einfach ein zusätzlicher voller Umgang innen angefügt wurde. Die Plakette ist fehlerhaft gezeichnet und unnötig kompliziert. Und in Liger kann man kein Zentrum ausmachen. 

Verwandte Beiträge:

  1. Querende Labyrinthe
  2. Das Muster bei nicht alternierenden Labyrinthen

Überlegungen zum Wunderkreis, 1

Der Wunderkreis war schon oft Gegenstand in diesem Blog. Heute möchte ich einige grundsätzliche Anmerkungen dazu bringen.

Bekanntlich besteht der Wunderkreis aus labyrinthischen Windungen und einer Doppelspirale im Zentrum. Somit gibt es keine zu erreichende Mitte wie sonst im Labyrinth und zudem noch einen extra Ausgang, der aber auch zusammen mit dem Eingang in einer Verzweigung geformt sein kann.

Das macht es schwieriger das alles in einem Muster darzustellen. Auch die sonst übliche Umgangsfolge mit den abwechselnd ungeraden und geraden Ziffern funktioniert da nicht mehr richtig

Daher schlage ich vor, die spiralförmigen Umgänge mit Buchstaben zu bezeichnen. Dadurch ergibt sich auch die Möglichkeit den jeweils unterschiedlichen Typ besser zu beschreiben.

Hier der nach meiner Ansicht kleinste Wunderkreis:

Wunderkreis Typ 3 a
Wunderkreis Typ 3 a

Ein dreigängiges (normales) Labyrinth mit einer Doppelspirale. Die Umgangsfolge, nach links beginnend. wäre dann: 0-1-2-a1-a2-3-0. Wandere ich zuerst nach rechts, ergibt sich: 0-3-a2-a1-2-1-0.

Generelle Anmerkung zu „0“. Damit ist immer der Bereich außerhalb des Labyrinths gemeint. Auch wenn „0“ nicht auf den Zeichnungen erscheint.

Nun kann ich entweder die äußeren Umgänge vergrößern oder nur die Doppelspirale oder beides.

Typ 3 a-b
Typ 3 a-b

Das ist ein Umgang mehr für die Doppelspirale. Die Wegfolge nach links: 0-1-2-a1-b2-b1-a2-3-0. Nach rechts: 0-3-a2-b1-b2-a1-2-1-0.

Und jetzt:

Typ 5 a
Typ 5 a

Die Doppelspirale wie im ersten Beispiel, die äußeren Umgänge um zwei erhöht. Das erzeugt eine Wegfolge mit (nach links): 0-3-2-1-4-a1-a2-5-0. Oder nach rechts: 0-5-a2-a1-4-1-2-3-0.

Nun weiter:

Typ 5 a-b
Typ 5 a-b

Zusätzlich zum vorigen Beispiel ist auch die Doppelspirale vergrößert. Das ergibt: 0-3-2-1-4-a1-b2-b1-a2-5-0. Und: 0-5-a2-b1-b2-a1-4-1-2-3-0.

In den Umgangsfolgen erkenne ich die Gesetzmäßigkeiten wie sie auch in den schon bekannten klassischen entsprechenden Labyrinthen vorkommen. Und wenn ich die Doppelspirale weglasse, lande ich auch bei diesen Labyrinthen.

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Querende Labyrinthe

Die meisten bekannten Labyrinthe sind alternierende Labyrinthe. Bei diesen quert der Weg die Hauptachse nicht. Jedesmal, wenn er am Ende eines Umgangs ankommt, wendet er und wechselt auf einen anderen Umgang. 

Es gibt aber wenige Labyrinthe, bei denen der Weg die Hauptachse quert. Das heisst, er ändert nicht die Richtung, sondern wechselt nur auf einen anderen Umgang und verläuft dabei ein Stück entlang der Achse. Ich habe sie bisher einfach „nicht-alternierende“ Labyrinthe genannt, weil „alternierend“ die Regel ist. Will man die Eigenschaft nicht negativ („nicht-alternierend“) bezeichnen, so kann man dafür auch Ausdrücke wie „traversierend“, „kreuzend“ oder „querend“ verwenden. Ich will diese Labyrinthe ab nun „querende Labyrinthe“ nennen. 

Ob ein Labyrinth alternierend oder querend ist, bezieht sich nur auf die Hauptachse. Das ist die Achse, an der der Eingang ins Labyrinth und auch der Zugang zum Zentrum liegt. Bei einachsigen Labyrinthen gibt es nur die Hauptachse. Bei mehrachsigen Labyrinthen kommen noch die Nebenachsen dazu. Die Nebenachsen muss der Weg immer queren. Nebenachsen können nicht gebildet werden, ohne dass der Weg die Achse quert.

Von den 87 Labyrinth Typen in meinem Katalog der historischen Labyrinthe (siehe: Weitere Links, unten) sind 10 querend, die anderen alternierend. Die drei einachsigen querenden Labyrinthe will ich hier nochmals zeigen. Alle drei wurden auf unserem Blog schon vorgestellt. 

Das bemerkenswerteste querende Labyrinth ist das Labyrinth vom Typ St. Gallen. 

Abbildung 1. Labyrinth von St. Gallen
Abbildung 1. Labyrinth von St. Gallen

Es wurde auf diesem Blog auch schon wiederholt mit dem 6-gängigen alternierenden Labyrinth mit der gleichen Umgangsfolge verwechselt, von dem kein historisches Exemplar bekannt ist (verwandte Beiträge 1 und 2).

Ein weiteres sehr schönes querendes Labyrinth ist das von Al Qazwini (verwandte Beiträge 3). 

Abbildung 2. Labyrinth von Al Qazwini
Abbildung 2. Labyrinth von Al Qazwini

Das dritte einachsige querende Labyrinth ist Folio 53r von Sigmund Gossembrot (verwandte Beiträge 4).

Abbildung 3. Labyrinth Gossembrot Folio 53r
Abbildung 3. Labyrinth Gossembrot Folio 53r

Alle drei sind interessante querende Labyrinthe, bei denen der Weg nicht auf dem ersten Umgang ins Labyrinth eintritt oder vom letzten Umgang das Zentrum erreicht. Bei St. Gallen und Qazwini verläuft er auf der vollen Länge der Achse, bei Gossembrot 53r nur auf einem Teil (von Umgang 6 – Umgang 9) auf der Achse. 

Verwandte Beiträge:

  1. Wie mache ich aus einem Mäander ein Labyrinth?
  2. Listening to the Labyrinths
  3. Das Labyrinth von Al Qazwini
  4. Sigmund Gossembrot / 5

Weitere Links: