Bei der Beschäftigung mit den Babylonischen Labyrinthen im ausführlichen und ausgezeichnetem Artikel von Richard Myers Shelton in Jeff Sawards Caerdroia 42 (März 2014) habe ich unter anderem auch die folgenden Tontafeln mit den Abbildungen von Darmwindungen von Opferschafen gesehen. Sie sind alle unterschiedlich und dienten als Muster bei der Eingeweideschau.
Sie sehen Labyrinthen sehr ähnlich, da sie aus einer einzigen ununterbrochenen Linie bestehen. Sie haben jedoch kein Zentrum, vielmehr zwei Eingänge/Ausgänge, die meistens nebeneinander liegen. Man könnte sie als Durchgangslabyrinthe oder als „vorlabyrinthisch“ bezeichnen.
Nach der heute üblichen Vorstellung im Westen ist ein Labyrinth eine Figur mit einem einzigen Weg, der kreuzungsfrei ins Zentrum und zurück führt.
Besteht in diesen Darmwindungen eine Verwandtschaft mit „unserem“ Labyrinth oder lassen sie sich etwa in ein solches verwandeln?
Das geht, und als Beispiel wähle ich die gut erkennbare Zeichnung auf der linken Tontafel E 3384 oben (rot angekreuzt).
Ergänzung Sept. 2017: Inzwischen habe ich eine Nachzeichnung mit der Bezeichnung E 3384 r_8 für die Vorlage erstellt.
Darin ermittle ich die Wegführung der nebeneinander liegenden Darmschlingen und nummeriere sie von links nach rechts. Der Eingang liegt in der Mitte und ganz rechts geht es wieder heraus.
Das Muster des Labyrinths zeigt sich darin. Daraus lese ich die Reihenfolge ab, in der die einzelnen Schleifen durchlaufen werden: 5-6-9-2-3-8-7-4-1-10.
Mit Hilfe dieser Wegfolge konstruiere ich nun ein geschlossenes, mehr rundes Labyrinth, bei dem der Weg in der Mitte endet.
Ich erhalte ein Labyrinth mit drei Wendepunkten und neun Umgängen. Das lässt sich nun noch umgestalten durch Drehen und Verschieben der Wendepunkte. Ich kann auch eine größere Mitte wählen und die Figur zentraler zur Mittelsenkrechten ausrichten.
So sieht es dann aus:
Wir haben ein neues, bisher unbekanntes Labyrinth vor uns. Die Wegfolge lautet: 0-5-6-9-2-3-8-7-4-1-10. Es geht also zügig in den inneren Bereich des Labyrinths und sehr schnell umrunde ich auch die Mitte mit 0-5-6-9. Danach geht es erst wieder nach außen und durch den ganzen inneren Bereich mit -2-3-8-7-4. Von hier komme ich noch einmal ganz nach außen und dann mit einem großen Sprung in die Mitte: -1-10. Es liegt also sehr viel Dynamik und Bewegung in der Wegführung. Beim Begehen des Labyrinths müsste sich das spüren lassen.
Wer baut als erster solch ein Labyrinth?
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Lieber Erwin
Freut mich, dass Du in der originalen Eingeweidefigur das Muster für ein Labyrinth siehst. So würde ich das auch angehen. Bei der Umwandlung des Musters ins Labyrinth ist Dir jedoch der 10 Umgang verloren gegangen. Das passende Labyrinth müsste so aussehen wie deins, aber mit einem zusätzlichen (trivialen) 10. Umgang innen.
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Lieber Andreas,
Du hast natürlich recht. der 10. Umgang müsste noch hin. Aber …. Du sagst es ja auch, der ist überflüssig, quasi eine Ehrenrunde. Aus gestalterischen Gründen habe ich mir erlaubt, es so zu machen, wie ich es getan habe.
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Lieber Erwin, Du bist die kreativste (und von mir preisgekrönte) Nachfolge von Hermann Kern. Wie schön zu wissen, dass es Dich in der Labyrinth-Erforschung gibt! Danke Marianne
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